Trotz Wachstum der Payment-Branche: Beim digitalen Bezahlen hinken die Deutschen hinterher

  • Bargeld als Zahlungsmittel bleibt beliebt: Mehr bargeldlose Transaktionen, doch Deutschland landet im Europavergleich im hinteren Mittelfeld
  • Weltweiter Payments-Ertragspool wächst auf 1,6 Billionen US-Dollar – Branche muss sich auf niedrigeres, wenngleich solides Wachstum einstellen
  • GenAI: Zahlungsdienstleister sollten KI-Potenziale stärker nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben

München—Die Deutschen bezahlen weiter gerne mit Bargeld: Zwar werden elektronische Bezahlvorgänge auch hierzulande beliebter, doch im Vergleich mit 17 europäischen Ländern landet Deutschland nur im hinteren Mittelfeld. 2022 bezahlten Deutsche durchschnittlich 284 Mal digital – das sind knapp 5 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr (274). Europameister beim Bezahlen mit Smartphone, Bank-, oder Kreditkarte ist Norwegen mit 708 Transaktionen pro Jahr, danach folgen Dänemark (610) und Luxemburg (598). Noch seltener als die Deutschen zahlen etwa Italiener (186) und Malteser (180) auf elektronischem Wege. Auch in Österreich wird noch viel bar bezahlt – hier sind es im vergangenen Jahr 247 digitale Transaktionen pro Person gewesen. Das sind Ergebnisse des Global Payments Report 2023, für den die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) jährlich die weltweiten Zahlungsströme und Erträge der Zahlungsdienstleister analysiert. „Für die Deutschen ist Bargeld nach wie vor ein wichtiges Zahlungsmittel, hier ist für elektronische Transaktionen also noch viel Luft nach oben“, sagt Dr. Markus Ampenberger, BCG-Experte für Zahlungsverkehr und Co-Autor der Studie.

Wachstum der Branche schwächt sich ab
Trotz der Nachwirkungen der Pandemie, Engpässen in Lieferketten, Inflationsdruck sowie geopolitischer Spannungen ist der weltweite Ertragspool in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich um 8,3 Prozent auf 1,6 Billionen US-Dollar im Jahr 2022 angewachsen. Dieses starke Wachstum wird sich in den kommenden Jahren jedoch deutlich abschwächen, und zwar auf dann 6,2 Prozent jährlich, bis 2027 auf weltweit rund 2,2 Billionen US-Dollar. „Die sinkende Wachstumsrate ist ein deutliches Warnsignal für die Payments-Branche. Gründe für den Bruch des langjährigen Aufwärtstrends sind die zu erwartenden Verlagerung des Massenzahlungsverkehrs von Karten auf Konto-zu-Konto-Transaktionen“, erklärt BCG-Partner Ampenberger. „Zudem gehen in einigen Märkten die Kartenmargen spürbar zurück. Makroökonomische Effekte wie etwa eine zu erwartende Normalisierung von Inflation und Zinsniveau in den nächsten fünf Jahren leisten ebenfalls einen Beitrag zu dieser Entwicklung.“ Zum Gesamtpool zählen die Erträge aus Zahlungsverkehrstransaktionen sowie Gebühren und Zinserträgen aus Girokonten oder ausgegebenen Kreditkarten.

Blickt man auf die jeweiligen Teilbereiche der Branche, also Acquiring (Händlerakzeptanzgeschäft), Issuing (Kartenausgabe) und Transaktionsbanken sowie Zahlungsinfrastrukturdienstleister, ergibt sich ein heterogenes Bild: Der Ertrag der Acquiring-Branche steigt in den nächsten fünf Jahren jährlich um 6,9 Prozent, der weltweite Ertragspool erreicht damit bis Ende 2027 100 Milliarden US-Dollar. Für die Issuer trübt sich die Prognose hingegen etwas ein: Der weltweite Ertragspool ist in 2022 auf 622 Milliarden US-Dollar gewachsen, aber BCG erwartet hier einen Rückgang im Ertragswachstum von zuletzt durchschnittlich 8 Prozent (2017-2022) auf 5,5 Prozent bis zum Jahr 2027. Für das Transaktionsbanking prognostiziert die Studie eine Wachstumsrate von 6,6 Prozent bis 2027 auf dann 738 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr lag der Ertrag der Sparte weltweit bei 536 Milliarden US-Dollar.

Die teils eingetrübten Zukunftsperspektiven wurden von den weltweiten Aktienmärkten bereits antizipiert: So verzeichneten 20 weltweit agierende, große börsennotierte Payment-Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren einen Rückgang ihres Total Shareholder Returns (TSR) um durchschnittlich 20 Prozent. Besonders stark betroffen waren die Sparten Acquiring und Zahlungsverarbeitung (Payment Processing) mit einem TSR-Rückgang von rund 40 Prozent. Stark präsentiert sich hingegen der aufstrebende FinTech-Sektor. Die weltweit inzwischen rund 5.000 Payment-FinTechs erwirtschaften derzeit bereits rund 100 Milliarden US-Dollar an Erträgen. Dieser Ertragspool der Payment-Fintechs wird sich nach BCG-Berechnungen bis 2030 auf 520 Milliarden US-Dollar mehr als verfünffachen. Das wäre dann ein beträchtlicher Teil der gesamten Payments-Erträge weltweit. Der Druck auf die etablierten Zahlungsverkehrsanbieter wird also weiter steigen.

An künstlicher Intelligenz führt kein Weg vorbei
Generative KI (GenAI) besitzt auch im Payments-Bereich das Potenzial zum Gamechanger. BCG prognostiziert Produktivitätssteigerungen von 20 Prozent und mehr allein für die Produkt- und Softwareentwicklung. Die Vorreiter unter den Zahlungsverkehrsanbietern testen bereits konkrete GenAI-Anwendungen in den Bereichen Betrugsprävention, Wissensmanagement und für die Einführung neuer Services. Um hier Chancen und Risiken zu erkennen und richtig zu bewerten, bedarf es einer starken, aktiven Governance sowie effizienter Kooperation von IT und Fachabteilungen. „Wenn nicht schon längst geschehen, sollten Unternehmen jetzt zwei bis drei vielversprechende KI-Anwendungsmöglichkeiten identifizieren und diese pilotieren“, rät Dr. Max Nitsche, Partner bei BCG und verantwortlich für das Thema KI in der Payment Branche.

M&A: Weniger Megadeals, mehr Spezialeinkäufe
Die makroökonomische Entwicklung und der weltweite Zinsanstieg haben sich auch auf die Finanzierung von Fintechs und die M&A-Aktivitäten der Payments-Branche ausgewirkt. Weltweite Finanzierungsrunden summierten sich im zweiten Quartal 2023 auf nur noch 1,4 Milliarden US-Dollar – die Mega-Finanzierung des Online-Bezahldienstes Stripe herausgerechnet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 und im ersten Halbjahr 2022 sammelten Payment-FinTechs global pro Quartal zwischen 5 und 8 Milliarden US-Dollar frisches Eigenkapital ein. Dieser Einbruch betrifft insbesondere die auf Kapitalgeber angewiesene junge FinTech-Branche. Für die Gesamtbranche bleibt das Thema M&A weiterhin wichtig, es verlagert sich aber von Megadeals hin zu speziellen Transaktionen, um dezidierte Kompetenzen hinzuzuerwerben. Besonderes Augenmerk legen die Käufer hier auf Anbieter von alternativen Zahlungsmethoden, Mehrwertdiensten oder Treueprogramme sowie integrierte Softwareanbieter, die Händlern branchenspezifische Komplettlösungen inklusive integrierten Bezahlmöglichkeiten bereitstellen.

Compliance und Risikomanagement auf dem Prüfstand
Die regulatorischen Anforderungen für Zahlungsverkehrsdienstleister haben in den vergangenen Jahren bereits zugenommen und die Aufsichtsbehörden verschärfen weltweit ihre Gangart, um Regeln durchzusetzen. Sie erhöhen die Kontrolldichte und überprüfen vermehrt einzelne Anbieter, auch vor Ort. In der Folge verhängen sie immer härtere Strafen, die für die betroffenen Anbieter erhebliche finanzielle Auswirkungen und Reputationsrisiken nach sich ziehen. „Payments-Anbieter, die sich hiervor schützen wollen, müssen jetzt ihre eigenen Risiko- und Compliance-Fähigkeiten schonungslos analysieren und vorhandene Lücken schließen“, sagt BCG-Partner Ampenberger. „Langfristig Widerstandsfähigkeit lässt sich nur durch Definition und Umsetzung eines starken Risikomanagement-Zielbetriebsmodells erreichen.“

Boston Consulting Group

Julian Bird
Media Relations
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Ludwigstraße 21
80539 München

Über die Studie

Der jährliche Global Payments Report analysiert die Entwicklungen des Marktes für Zahlungsabwicklungen und erscheint dieses Jahr in der 21. Ausgabe. Er basiert unter anderem auf Auswertungen des BCG Global Payment Models.

Über BCG

Die Boston Consulting Group (BCG) unterstützt führende Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft in partnerschaftlicher Zusammenarbeit dabei, Herausforderungen zu meistern und Chancen zu nutzen. Seit der Gründung 1963 leistet BCG Pionierarbeit im Bereich Unternehmensstrategie. Die Boston Consulting Group hilft Kunden, umfassende Transformationen zu gestalten: Die Beratung ermöglicht komplexe Veränderungen, eröffnet Wachstumschancen, schafft Wettbewerbsvorteile, verbessert die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit und bewirkt so dauerhafte Verbesserungen des Geschäftsergebnisses.

Nachhaltiger Erfolg erfordert die Kombination aus digitalen und menschlichen Fähigkeiten. Die vielfältigen, internationalen Teams von BCG bringen tiefgreifende Expertise in unterschiedlichen Branchen und Funktionen mit, um Veränderungen anzustoßen. BCG verzahnt führende Managementberatung mit Expertise in Technologie, Digital and Analytics, neuen Geschäftsmodellen und der übergeordneten Sinnfrage für Unternehmen. Sowohl intern als auch bei Kunden setzt BCG auf Gemeinschaft und schafft dadurch Ergebnisse, die Kunden nach vorn bringen. Das Unternehmen mit Büros in mehr als 100 Städten in über 50 Ländern erwirtschaftete weltweit mit 30.000 Mitarbeiter:innen im Jahr 2022 einen Umsatz von 11,7 Milliarden US-Dollar.

Weitere Informationen: www.bcg.com