Europas Wirtschaft ist bereit zu handeln – bei der digitalen Transformation haben deutsche Unternehmen Aufholbedarf

May 27, 2025
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München—Die Unternehmen Europas sind fest entschlossen, ihre Handelsinteressen zu schützen. Die Ankündigung neuer möglicher Strafzölle durch die US-Regierung Anfang April – dem sogenannten „Liberation Day“ – war für die meisten Entscheider ein Weckruf. Eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group (BCG) zeigt: Die Bereitschaft, Europas ökonomische Zukunft zu gestalten, ist unter Top-Entscheidern hoch – und sie stellen klare Forderungen an die Politik. Der Handlungsdruck ist dabei groß: Neun von zehn befragten europäischen Führungskräften sehen die Notwendigkeit, Europas ökonomische Interessen entschlossener zu schützen. 80 Prozent befürchten, dass Europa an globaler Relevanz verliert. Sollte die Wettbewerbsfähigkeit weiter sinken, rechnen zudem 72 Prozent mit Stellenabbau, 62 Prozent erwarten eine Schwächung von Innovation und Forschung. In Deutschland sind die Einschätzungen noch signifikanter: Hier prognostizieren vier von fünf Befragten (79 %) negative Beschäftigungseffekte, mehr als zwei Drittel (71 %) einen Rückgang bei Forschung und Entwicklung.

Vom Schockmoment zur neuen Entschlossenheit
Als Reaktion auf die neue US-Zollpolitik denken viele Unternehmen um. Technologische Souveränität rückt nun ganz oben auf die Agenda: „Der ‚Liberation Day‘ war ein Wake-up Call für mehr Geschlossenheit und Selbstbewusstsein – Europa ist jetzt wach. Dies ist die Stunde für entschlossenes Handeln. Jetzt zählt, dass wir unsere wirtschaftlichen Interessen strategisch durchsetzen. Die Unternehmen sind bereit, eng mit der Politik zusammenzuarbeiten“, sagt Michael Brigl, Head of BCG Central Europe. Tatsächlich markiert der „Liberation Day“ einen psychologischen Wendepunkt: Vor dem 2. April blickten lediglich 39 Prozent der befragten europäischen Führungskräfte optimistisch auf die wirtschaftliche Zukunft Europas. Nach der Ankündigung der US-Zölle stieg dieser Wert sprunghaft auf 71 Prozent. Besonders deutlich zeigt sich der politische Gestaltungswille in Deutschland: 91 Prozent der Entscheider fordern eine aktivere europäische Wirtschaftspolitik – der höchste Wert unter allen befragten Ländern. „Um wirtschaftlich wieder nach vorne zu kommen, brauchen wir einen New Deal für Europas Wettbewerbsfähigkeit – einen Deal, in dem die Politik wirksame Rahmenbedingungen schafft und die Wirtschaft die Transformation entschlossen vorantreibt.“

Stimmen die ökonomischen Rahmenbedingungen – etwa durch niedrigere Arbeitskosten, verlässliche Energiepreise oder gemeinsame Beschaffungsinitiativen –, würden fast neun von zehn der Befragten (87 %) neue Arbeitsplätze in der EU schaffen, 81 Prozent wieder verstärkt in Europa produzieren oder den Betrieb ausweiten. Deutschland ist hier besonders optimistisch: Im gesamteuropäischen Vergleich zeigen deutsche Führungskräfte das stärkste Vertrauen in die Politik. 59 Prozent von ihnen glauben, dass die politischen Entscheider die wirtschaftlichen Herausforderungen verstehen – zehn Prozentpunkte mehr als im europäischen Durchschnitt. Gleichzeitig sprechen sich 93 Prozent der deutschen Befragten für eine intensivere Zusammenarbeit auf EU-Ebenen in einer CEO-Arbeitsgruppe aus, 85 Prozent würden sich persönlich darin engagieren. „Die Botschaft der CEOs ist klar: Es ist Zeit zu handeln”, so Brigl. „Der Wille ist da – und das gemeinsame Verständnis, dass Wettbewerbsfähigkeit keine rein nationale Fragestellung mehr ist, sondern eine wirtschaftliche Überlebensfrage Europas.“

Digitale Transformation als zentrale Chance und große Herausforderung
Ein wichtiges strategisches Kernthema ist dabei die digitale Transformation: Für jedes zweite Unternehmen in Deutschland hat die Technologie- und Digitalstrategie hohe Priorität und ist wichtiger als andere Themen – was sich jedoch in der Budgetplanung nur bedingt widerspiegelt. Das zeigt eine weitere aktuelle BCG-Studie zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland und Frankreich. Einige der darin befragten Entscheider evaluieren bereits Alternativen zu in den USA beheimateten Cloud-Partnern, erste Betriebe planen die Migration sensibler Daten in europäische Cloudinfrastrukturen. Ihnen ist es deshalb nun auch wichtig, im Digitalbereich unabhängig von außereuropäischen Anbietern zu werden. 18 Prozent der deutschen Unternehmen wollen mehr als ein Fünftel ihres IT-Budgets dafür investieren, in Frankreich sind es sogar 32 Prozent. Ganz oben auf der Liste der Digitalisierungsprojekte in den beiden Ländern stehen dabei die Erneuerung von ganzen Plattformsystemen (15 %), gefolgt von der Cloudmigration (13 %) und der Modernisierung der IT-Infrastruktur (10 %).

Dennoch stellt Kirsten Rulf, Partnerin und KI-Expertin bei BCG, fest: „Auch wenn viele Unternehmen die Relevanz erkennen, ist Tech- und Digitalstrategie in Deutschland und Frankreich noch immer kein echtes Top-Thema auf C-Level. Das könnte zum Problem werden, denn genau diese Themen werden zunehmend zum Grundstein für langfristigen Geschäftserfolg und Innovationskraft.“ Besonders in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen und tiefgreifender regulatorischer Veränderungen werden entsprechende Strategien immer entscheidender: „Die digitale Wettbewerbsfähigkeit kann nur von den Unternehmen selbst gestaltet werden, indem sie digitale Geschäftsmodelle entwickeln“, erläutert Christian Kirschniak, Managing Director und Partner bei der Boston Consulting Group. „Deutsche Unternehmen ziehen hier oft nicht mit und überlassen Innovation den anderen. So geraten sie immer mehr in die Abhängigkeit von externen Anbietern – und laufen Gefahr, letztlich abgehängt zu werden.“

Über die Studien

Die Studie „New Deal for European Competitiveness“ wurde im Frühjahr 2025 unter 850 C-Level-Führungskräften aus 23 europäischen Ländern durchgeführt – darunter CEOs, CFOs, COOs und weitere Entscheidungsträger aus allen relevanten Branchen (150 Befragte in Deutschland). Die Befragung deckt sowohl große Industrie- und Technologiekonzerne als auch Unternehmen aus dem Finanz-, Energie- und Gesundheitssektor ab. Ergänzt wurde sie durch eine Sonderauswertung für Deutschland, um länderspezifische Unterschiede in Wahrnehmung und Handlungsbereitschaft sichtbar zu machen.

Die Erhebung „Europe's Race to Tech Readiness“ von BCG und Statista fokussierte sich auf die digitale Wettbewerbsfähigkeit und umfasste je 50 Entscheiderinnen und Entscheider aus Deutschland und Frankreich (Feldzeit: 5.-21. Mai 2025). Sie beleuchtet strategische Prioritäten, Umsetzungszeiträume, Investitions-schwerpunkte sowie die Rolle von internen und externen Ressourcen bei der digitalen Transformation. Ergänzend wurden qualitative Einschätzungen zur Zusammenarbeit mit Technologiepartnern sowie zu geplanten Reaktionen auf geopolitische Entwicklungen – insbesondere den „Liberation Day“ – ausgewertet.

Pressekontakt:

Boston Consulting Group
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Media Relations Specialist
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Über BCG

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