Zwischen Pflicht und Potenzial: Mehrweg als Chance für die Gastronomie

December 9, 2024
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Düsseldorf— Seit Januar 2023 sind viele Gastronomiebetriebe in Deutschland gesetzlich verpflichtet, Speisen und Getränke auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Diese Regelung zielt darauf ab, die enorme Menge an Einwegverpackungen – die derzeit gemäß Erhebungen des WWF Deutschland noch immer bei 14,6 Milliarden pro Jahr liegt – drastisch zu reduzieren. Doch der Erfolg blieb bisher begrenzt: Die Mehrwegquote stieg im ersten Jahr nach Einführung der Pflicht nur leicht von 0,7 % auf 1,6 %. Trotz dieses verhaltenen Fortschritts zeigt eine neue Analyse der Boston Consulting Group, dass Mehrweg nicht nur ein zentraler Hebel für mehr Nachhaltigkeit ist, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile für Gastronomiebetriebe bieten kann.

Nachhaltigkeit mit System: Mehrweg muss effizient umgesetzt werden

Mehrweg wird oft per se als nachhaltigere Lösung wahrgenommen, doch diese Annahme greift zu kurz. Die Analyse zeigt, dass Mehrwegbehälter erst ab mindestens zehn Umläufen eine positive Ökobilanz erreichen. Entscheidend sind dabei nicht nur die Materialauswahl und Herstellung, sondern auch Logistik- und Reinigungskonzepte. Ein effizientes Mehrwegsystem kann unter idealen Bedingungen die Abfallmenge um bis zu 75 Prozent reduzieren, den Wasserverbrauch senken und CO₂-Emissionen deutlich verringern. Dabei ist ein durchdachtes Konzept erforderlich: Lange Transportwege oder ineffiziente Reinigung können die Umweltbilanz stark belasten. Mehrweg ist daher nur nachhaltig, wenn es als Teil eines optimierten Gesamtsystems betrieben wird. Hinzu kommt: „In der Gastronomiebranche kursieren hartnäckige Mythen, die die Einführung und Akzeptanz von Mehrweglösungen erschweren“, so Alexander Meyer zum Felde, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Boston Consulting Group.

Wirtschaftlichkeit: Ein Drittel der Gastronomiebetriebe könnte profitieren

Einer der häufigsten Vorbehalte gegen Mehrweg ist der angeblich höhere Aufwand und die vermeintlich höheren Kosten. Die BCG-Analyse widerlegt diesen Mythos: Für viele
Gastronomiebetriebe kann sich der Umstieg auf Mehrweg bereits heute lohnen. Besonders kleinere Betriebe profitieren von günstigeren Gebühren für Mehrwegsysteme. So zeigt die Analyse, dass sich Mehrweg für etwa ein Drittel der Gastronomiebetriebe finanziell rechnet – und das bereits ab zwei „Coffee-to-go“-Bestellungen pro Stunde. Entscheidend ist die Wahl des richtigen Lizenzierungsmodells, etwa in Form von
Flatrate-Modellen, die bei höherem Mehrwegabsatz deutliche Skaleneffekte bieten. Eine entscheidende Schwierigkeit besteht dabei jedoch derzeit noch: „Während Deutschland im Getränkebereich über ein flächendeckendes Pfandsystem verfügt, fehlt es für Verpackungen im Gastronomie- und Event-Sektor an einem etablierten Mehrwegsystem“, erläutert zum Felde.

Praxisbeispiel: Wie ein Kölner Café mit Mehrweg spart

Die Experten der Boston Consulting Group haben am Beispiel des Café Heimisch in Köln analysiert, wie Mehrweg trotz der bestehenden Hürden und Vorurteile erfolgreich in der Gastronomie genutzt werden kann: Bereits vor Einführung der
Mehrwegangebotspflicht im Jahr 2023 setzte das Café fast vollständig auf Mehrwegbehälter. Einwegverpackungen werden lediglich gegen einen Aufpreis von 0,80 Euro angeboten. Diese Strategie ermöglicht es dem Café, jährlich rund 700 Euro zu
sparen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Nutzung etablierter Mehrwegsysteme wie Recup und Vytal sowie in klarer Kommunikation mit den Kunden und gezielter
Schulung des Personals. Trotz anfänglicher Hürden konnte das Café den Aufwand für Lagerung und Verwaltung optimieren und zugleich den Verpackungsmüll erheblich reduzieren.

Strategien für eine flächendeckende Etablierung von Mehrweg

Damit Mehrweg in der Gastronomie breiter Fuß fasst, bedarf es eines koordinierten Ansatzes auf lokaler und nationaler Ebene. Die BCG-Analyse identifiziert drei zentrale Handlungsfelder:

  • Regulatorische Maßnahmen und Kontrolle: Kommunale Initiativen wie die Einwegverpackungssteuer in Tübingen (0,50 Euro pro Behälter) zeigen, dass gezielte Anreize die Wirtschaftlichkeit von Mehrweglösungen erheblich verbessern können. Gleichzeitig sind regelmäßige Kontrollen und eine bessere Sichtbarkeit der gesetzlichen Vorgaben notwendig, um die Einhaltung sicherzustellen.
  • Finanzielle Anreize: Steuerliche Vergünstigungen und Förderprogramme für Gastronomen könnten die Hürden für die Implementierung von Mehrwegsystemen deutlich senken. Solche Maßnahmen können Investitionen in die Infrastruktur, wie Spülsysteme oder Logistiklösungen, erleichtern und gleichzeitig die Rentabilität erhöhen.
  • Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen: Ein breites Bewusstsein für die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile von Mehrweg ist essenziell. NudgingKampagnen, also subtile Verhaltensanreize, können die Akzeptanz von Mehrweg signifikant steigern – um bis zu 30 Prozent, wie die Analyse zeigt. Zielgerichtete Informationskampagnen, die sich sowohl an Gastronomen als auch an Verbraucher richten, sind daher entscheidend.

Mehrweg lohnt sich – ökologisch und ökonomisch Die BCG-Analyse belegt, dass Mehrweg nicht nur ein Beitrag zur Reduktion von Verpackungsmüll ist, sondern auch wirtschaftlich attraktive Perspektiven bietet. Gerade für kleinere Gastronomiebetriebe kann sich der Umstieg bereits heute rechnen. Zum Felde ist deshalb überzeugt: „Mehrweg kann nicht nur eine umweltfreundliche, sondern
auch eine wirtschaftlich rentable Lösung für Gastronomiebetriebe sein. Durch gezielte Maßnahmen und klare Anreize lässt sich ein entsprechendes System langfristig erfolgreich und kosteneffizient umsetzen.“ Mit gezielten Maßnahmen und einer engen Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kann Mehrweg in der Gastronomie von einer Pflicht zu einer lohnenden Chance werden – sowohl für die Umwelt als auch für die Betriebe selbst.

The Boston Consulting Group

Felix Kupferer
Media Relations
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Über BCG

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